Warum glauben manche untätowierten Menschen eigentlich, sie hätten ein Scheiß Recht darauf, Leute mit Tattoos blöd anzureden? Bitte spart’s euch diese Aussagen einfach…
Jedes Mal, wenn ich wegen meiner Tätowierungen direkt oder indirekt beleidigt werde, reagiere ich selstam verständnisvoll: „Du musst dich ja eh nicht tätowieren lassen, schau“, „Naja, mir gefällt’s halt“ oder „Da ist eben jeder verschieden!“ antworte ich, wenn mir Leute sagen, dass ich doch eigentlich eh ganz hübsch wäre, aber die Tätowierungen mein Aussehen versauen, dass sie meine Tattoos hässlich finden und dass mit mir etwas nicht stimmen würde, wenn ich mir freiwillig Schmerzen zufügen lasse. Eigentlich würde ich gerne antworten: „Du unverschämtes Arschloch, ich mach‘ was ich will und wenn dir das nicht gefällt, dann schau mich nicht an, Oida!“. Und dem nächsten Vollkoffer sag‘ ich das auch ins Gesicht.
Diese Spießer-Scheiße nervt. Aber Grundsatzdiskussionen über Tattoos zu führen, das nervt noch mehr und ist auch total überflüssig. Ich bin es leid, dass mir Menschen erklären wollen, Frauen mit Tattoos wären schlechte Vorbilder für ihre Kinder und würden es spätestens bei der Hochzeit bereuen, Tattoos zu haben (like, wtf?) und das mit der Karriere wird auch nichts, denn „so“ finden wir ja schließlich nie einen Job. Bye, Felicia.
Ich habe mittlerwele zehn Tattoos, die meisten davon sind relativ groß. Sieben davon trage ich auf den Armen. Das Erste habe ich mir in Toronto stechen lassen, mit 18 Jahren. Ich wollte immer schon Tattoos haben und bereue kein einziges davon: Nicht so sehr deshalb, weil ich mir ewig überlegt hätte, was ich tätowiert haben möchte, sondern weil der Körper nur eine Hülle ist, die sich sowieso ständig verändert und weil ich meine Tattoos als Teil meines Körpers sehe. Sie gehören einfach zu mir: Mit manchen verbinde ich besondere Erinnerungen und besondere Menschen, andere sind Souvenirs, manche sind einfach Motive, die mir gefallen.
Ich mag Schubladen nicht. Ich kann nichts mit Dresscodes anfangen, mit Stereotypen oder Vorurteilen und ich finde es sehr eigenartig, dass Body Modifications immer noch so stigmatisiert sind. Als ob Tattoos bedeuten würden, dass jemand automatisch Bad Ass, ein Arschloch, unqualifiziert, asozial, inkompetent, eine schlechte Mutter oder eine weniger schöne Braut sei – so ein Blödsinn, echt. Man muss ja nicht alles super finden, aber man muss sich auch nicht absichtlich wie ein herablassendes Arschloch verhalten.
Deshalb einfach mal nichts sagen, bevor man diese Aussagen von sich gibt – wir haben sie schon unzählige Male gehört.
- Die Wiener Künstlerin und Tattoo-Model Kerstin Brueller kann den Schmarrn über Tattoos auch schon nicht mehr hören. Foto von Dunkelbunt Photography
„… Und, was hat das jetzt für eine Bedeutung?“
Eh süß, wenn man den gesamten Familienstammbaum samt Geburtsdaten und Kennenlernkoordinaten tätowiert hat – wem’s gefällt! Aber nicht jede Tätowierung muss super bedeutungsgeschwängert sein: Wenn du Meerjungfrauen cool findest und dir vorstellen könntest, für den Rest deines Lebens eine auf deiner Haut zu tragen, dann GO FOR IT.
„Geht das wieder runter?“
Klar: Mit etwas Seife und Elfenstaub und Einhornlulu.
„Tut das weh?“
Nein, gar nicht. Sind ja nur lauter kleine Nadeln, die in stundenlanger Prozedur Tinte in deine Haut stechen. Fühlt sich etwa so an, wie eine zärtliche Massage von einem hawaiianischen Lomi-Lomi-Nui-Masseur!
„Und was machst du, wenn dir das mal nicht mehr gefällt…?“
Gegenfrage: Was machst du, wenn dir dein Gesicht mal nicht mehr gefällt? Ein Tattoo ist dann einfach ein Teil des eigenen Körpers und wenn es gut ist, wird man es niemals ändern wollen. Sollte man sich in einem geistesverwirrten Moment für ein Arschgeweih oder sowas entschieden haben und die Wahl bereuen, dann lässt man sich von einem wirklich guten Tattoo-Artist (in Wien kann ich das Vienna Electric Tattoo oder die Stecherei empfehlen – die sind wirklich super) was Ordentliches drüber machen.

„Wie sieht das denn aus, wenn du mal älter bist…!“
Findest du wirklich, dass faltige, alte Haut in ihrem natürlichen Zustand so viel schöner ist, als tätowierte…? Naja, okay.
„Nur Asoziale haben Tattoos!“
Fresse!!!!11!
„Also für mich wäre das ja nix… Wenn schon, dann nur was Kleines…“
… sagte sie und ließ sich am darauffolgenden Tag ein Unendlichkeitszeichen am Handgelenk tätowieren. Ja, ja.
„Wie viele sollen das noch werden?!“
Kommt üblicherweise von einer Mama oder einem Papa und muss dann wohl augenrollend hingenommen werden, nervt aber trotzdem tierisch, weil: Das kann man halt nie sagen!

„Ich finde, bei Männern kann das schon cool aussehen, aber bei Frauen…“
Ja, wir wissen’s eh, in deiner kleinen, spießigen Welt tragen alle Frauen Perlenohrringe, lange Haare und Röcke in Größe 34, die bis zum Knie reichen und du hast noch immer eine fixe Vorstellung davon, wie „echte Frauen“ aussehen müssen. Aber man lässt sich nicht für andere Menschen (schon gar nicht für solche Pfosten) tätowieren, sondern weil man das selber gut findet. Weil man Schönheit für sich selbst definiert hat. Und das ist auch verdammt okay so.
„Für mich wäre das nichts… Aber zu dir passt das!“
Was zur Hölle soll das eigentlich heißen?
Eines muss ich noch ergänzen: Früher gab es häufig die Spazierstock-Wanderer, welche sich von jedem Urlaubsort ein „Stickerl“ an den Stock genagelt haben, als Erinnerung für schöne Tage oder auch um nur aufzufallen. Den Wanderstock konnte man getrost in die Ecke stellen und erst beim nächsten Urlaub wieder auspacken.
Das unterscheidet Tatoo-Träger in keiner Weise von „vermeintlichen“ Spießern der oben genannten Spezies, noch von Briefmarken- oder Münzensammlern oder Sammlern jeder Art.
Es gibt auch Messies, die gerne Müll anhäufen und sammeln, aber die möchte ich jetzt ungern mit Tätowierten im gleichen Kontext nennen. Es scheint eine Sucht zu sein, die irgendwann einmal begonnen, exzessiv weiter betrieben wird. Raucher (bin ich auch einer) und Alkoholiker haben sicher ein ähnlich gelagertes Problem.
Jeder Körper ist von Grund auf schön, ob tätowiert oder nicht. Es gibt auch hier Ausnahmen, aber dann wird eine Tätowierung eher das Gegenteil dessen, das sie bewirken soll. Ich würde den Wunsch nach einer Tätowierung eher als „Tick“ bezeichnen. Die einen sammeln Clowns und stellen sie in eine Vitrine, andere häufen unzählige Stofftiere auf der Couch an und fühlen sich dabei wohl.
Die Frage ist doch einfach, ob man den eigenen Körper dazu missbrauchen sollte, eine gewisse Gemütsverfassung als Tattoo dauerhaft zu hinterlegen. Andererseits wurde die Tätowierung im „dritten Reich“ dazu verwendet, ausgegrenzte Menschen zu kennzeichnen. Das will nun auch keiner wirklich wollen. Aber wenn’s Spaß macht … ?
Tätowierungen erscheinen mir persönlich als „dekadent“, wie „Sekt saufen und Kaviar futtern“ in den frühen 1920-Jahren. Das kann halt jeder halten, wie er will. Heute wird das abgelöst duch Kurztripps nach Mallorca, um ein Wochenende am Strand zu liegen – für vielleicht 29 € an Fluggebühren.
Ich war immer der Meinung, die Menschheit würde von Jahr zu Jahr irgendwie intelligenter, aber das Gegenteil scheint zuzutreffen.
Mach Dir also keine Gedanken um Deine Tattos, ich selbst finde sie nicht sonderlich schön, mache mir aber auch keine Gedanken darüber, wenn sich jemand dazu entschlossen hat, eine Tätowierung anzulegen. Jeder macht, wie er denkt und ob das in meinen Augen „Unsinn“ ist, interessiert ja auch niemanden. Also – einfach weitermachen …
Gruß Hans
🙂 Tatoos. Ja, eine Zeiterscheinung, welche man oft wegen Gedankenlosigkeit oder überschüssiger Freizeit im Urlaub (z.B. auf Mallorca) stechen lässt. Andere machen das aus Überzeugung und stehen trotz Anfeindungen drauf.
Ein schöner Körper wird durch Tatoos nicht schöner, ein nicht ganz so schöner Körper erst recht nicht. Es gibt dennoch schöne, dezente Tatoos, die man z.B. beim Partner suchen und entdecken darf. Es gibt auch schön gemachte Tatoos, beihnahe Photorealismus, die mit Sicherheit auch teuer und schmerzhaft sind.
Ich frage mich halt, warum man sich so etwas antut? Tatoos haben Geschichte, sicherlich. Aus der Geschichte kann man aber auch lernen. Warum lasse ich mir als junges Mädel ein Arschgeweih tätowieren? Eine verlorene Wette, Suff oder eine Freizeitlaune? Warum lasse ich mich als Mann tätowieren? Weil ich Seefahrer, Knastbruder oder Mitglied einer Gang bin, die das vorschreibt oder einfach deswegen, weil ich dann körperlich „besser“ rüberkomme? Nö – nix von allem. Auch tätowierte Fußballer spielen nicht besser als untätowierte Kollegen.
Ein Tatoo ist nichts anderes als Schmincke, die man aber am nächsten Tag nicht mehr abbekommt. Dumm gelaufen …
Der Mensch an sich ist ein recht gelungenes Exemplar an der Spitze aller Primaten. Kein Affe käme deswegen auf die Idee, sich tätowieren zu lassen. Hunde und Katzen werden (normal in den Lauschern) tätowiert, damit man sie wiederfinden kann. Menschen haben dagegen Personalausweise, mit denen man sie wiederfinden kann.
„Schön“ sind Tätowierungen in den seltensten Fällen, wenn sie nicht dezent gesetzt und hervorragend ausgeführt wurden. „Schön“ sind auch keine goldene Rolex am Handgelenk oder ein penetranter Parfüm-Geruch, damit man „Aufmerksamkeit“ bekommt. OK, man muss nicht hinschauen, aber etwas lästig wirkt das vermeintliche Geltungsbedürfnis der entsprechenden Träger schon auf Normalo-Bürger.
Es kann jeder machen, das er mag. Deswegen muss ich’s aber nicht schön finden. Ich überlege mir oft bei der Auswahl symphatisch/unsympathisch, wen ich z.B. zum Grillen einladen würde. Ganzkörpertätowierte wären nicht dabei. Wenn dann auch noch der Kopf und/oder Hals tätowiert ist, empfinde ich das als hässlich. Muss aber jeder selbst wissen …
Es gibt wichtigere Probleme, aber das Thema hat mich zu einem Kommentar angespornt.
Gruß Hans
„das mit der Karriere wird auch nichts, denn „so“ finden wir ja schließlich nie einen Job“ – Das ist totaler Blödsinn. Ich kenne keine einzige Professionelle ohne Tattoo.
Heyhey,
habe deinen Post aus Neugier gelesen und möchte dir eins sagen: Don’t give a f*ck. Ich bewundere Menschen mit Tattoos irgendwie, weil sie (irgendwie…) sehr mutig sind. Nicht, weil sie sich ein Tattoo stechen lassen, sondern weil sie sich dauernd mit solchen Leuten rumschlagen müssen.
Ps: Ich finde deine Tattoos total cool!
Liebe Grüße,
Charlotte von
http://www.charlotics.com